Ägypten - Egypt



Vordruck (noch nicht endgültige Fassung) aus 

Enaam A. Magdy: AEGYPTEN STORIES


Dunya oder die Ausgeschlossenen

Sie musste dabei zusehen, wie ihre Träume einer nach dem andern dahinschwanden, sie stand da, und war unfähig auch nur einen davon einzufangen oder zu speichern. Das Leben ist hart, würden einige Leute sagen. Aber für sie war es gar nicht mehr hart, es war unerträglich, etwas was selbst der menschliche Körper nicht erdulden kann. Aber sie kann sich auf diesen Körper gar nicht mehr beziehen, dieser schlanke Körper, der nichts darüber sagt, wer sie ist. Er zeigt nicht ihren wahren Charakter, denn er ist bedeckt, von oben bis unten verschleiert, ganz nach der eigenen Tradition und derjenigen ihrer Familie. Sie kann nichts anderes tragen als diese Kleidung ganz in Schwarz. Es ist eine Tradition in ihrer Familie, für mindestens drei Jahre schwarz zu tragen, wenn ein Mitglied der Familie stirbt. Ihr Mann starb vor zwei Jahren und so ist es ihr noch nicht erlaubt Farben zu tragen. Ihr Leben besteht doch nur aus zwei Farben, schwarz und grau. Es war aber einmal, dass ihr Leben voll von all den Regenbogenfarben war. Das aber war jetzt schon lange nicht mehr der Fall.
Wie bei den übrigen Leuten, die sie kennt, das Leben hat einen sich wiederholenden Gang. Wie ein ägyptisches Sprichwort verrät: „Worin wir schlafen, darin wachen wir auf“. Dunya unterschied sich, sie versuchte in sich selbst einen Wandel, einen Bruch mit dieser repetitiven Form des Lebens zu finden. Sie wünschte sich Regenbogenfarben, wollte sie ertasten, zwischen ihnen hindurch tanzen, durch ihre Träume. Sie hatte einst viele Träume und Hoffnungen, aber wie vielen in Ägypten, war es auch ihr nicht erlaubt zu träumen, es war ein Privileg für sie, wenn sie einmal einen Traum hatte, den nicht alle Ägypter haben konnten. Aber sie war unbedingt auf einen Traum aus, auch wenn er sich nicht erfüllen ließ, doch es war ihr Recht zumindest ihn zu träumen. Um Dunya verstehen, um sie ein wenig zu betrachten können, muss man mehr über sie wissen. Um sie kennenzulernen, muss man ein paar Jahre zurückgehen. Dunia war, wie ihr Name bedeutet, ein Leben, sie war in sich selbst ein Leben das viel durchzustehen hatte und doch sie schaffte es.
Das Klassenzimmer war immer voller Staub, eine gelbe und düstere Atmosphäre umgab den Ort. Niemand kümmerte sich um das Hygienesystem der Schule oder um die Studenten. Und wenn schon, es würde ihnen ohnehin nicht gut bekommen. Dunaya war eine durchschnittliche Schülerin, sie war aber etwas besonderes, weil sie die ganze Zeit ruhig war. Die Lehrer fanden sie eine großartige Schülerin, je weniger man redet, umso besser. Ihre Mitschüler fanden sie unheimlich, und taten ihr Bestes, sie es wissen zu lassen. Sie nannten sie „Dunya faslan“, (die Abwesende). Oft wurde sie in den Freizeiten wegestoßen, weil die Schüler dann etwas über sie zu lachen hatten. Dunya machte das nichts aus, sie war glücklich, weil dies ja in der Tat irgendwie zeigte, dass sie einen einzigartigen Charakter hatte. Sie war nun im dritten Jahr der Oberschule, sie bekam 87 von 100 Punkten letztes Jahr und so tat sie ihr Bestes, zumindest die gleiche Anzahl von Punkten auch in diesem Jahr zu machen, und sie schaffte es. Die Schule war für sie so etwas wie der Weg nach oben zum Himmel und in die Welt hinaus, obwohl es nur diesen finsteren verstaubten und verunreinigten Himmel gab. Doch es war diese eine Gelegenheit, den Himmel zu sehen, und Tagträume über ihre Zukunft anzustellen. Für sie war das in den Himmel Stieren in der Freizeit das große, spezielle, ihr ganz privates Ding. Sie hatte kein eigenes Zimmer, weil die Wohnung, in der sie mit ihrer Familie lebte, nicht groß genug war. So sehnte sie sich natürlich immer nach Privatheit, ihr eigenes Zimmer zu haben, wo sie nur über die Zukunft träumen könnte.
Der Nachhauseweg von der Schule war ihre bevorzugte Tageszeit; das gab ihr die Gelegenheit am Nil entlang zu laufen, und mit ihren Träumen hoch zu wandern, als reflektierten sie sich in den schimmernd tanzenden Spritzern seines Wassers. Sie hörte oft ihren Vater sagen, dass der Nil nicht mehr schön sei, sie hätten ihn mit ihren schlechten Sitten korrumpiert. Das hat sie nie geglaubt. Dunya sah immer, dass es Schönheit in jedem korrumpierten Ding gibt, es liegt an der Person, sie zu aufzuschnappen. Jeden Tag, wenn es das Wetter erlaubte, lief sie den Weg nach Hause ins Manial-Viertel, am Nil entlang. Er war ihr Kumpel, der sich jeden ihrer Gedanken anhören würde, ohne sie zu verurteilen oder sich ängstlich zu fühlen. Er trug ihre Träume durch die Jahre der Oberschule hindurch, verbarg ihre Geheimnisse vor den anderen Leuten, teilte mit ihr Liebe und Freude, ermunterte sie, wenn sie traurig war, und wischte ihre Tränen weg, wenn sie weinte. Sie hatte eine Liebesbeziehung mit dem Nil, und sie wurde mit der Zeit immer stärker, bis zu einem bestimmten Punkt in ihrem Leben der Nil ihr einziger Kompagnon war, und der einzige, der sie in diesem Leben verstand. Für sie war er nicht der Fluss, den die Leute besuchten, und in einem kleinen Boot darauf segelten, oder am Ufer saßen um Tee zu trinken, für sie war er mehr als das, er war Dunya, wie sie sich im Wasser spiegelte, als ob diese Dunya, das Leben, das sie im Innern verbarg, jetzt sich aus ihr heraus drängte, und sich mit dem Wasser des Nil vermischte.
Nach dem Abschluss der Oberschule schaffte sie einen Studienplatz an der Kairo Universität zu bekommen. Das war der glücklichste Tag ihres Lebens, nicht weil sie dann einen Universitätsgrad erhalten würde, sondern weil es ihr die Chance gab, so auch am Nil entlang nach Hause zu laufen. Sie schrieb sich in der Philosophischen Fakultät ein, Abteilung Psychologie. Sie war bestrebt zu lernen, denn für sie war das ein Weg, die Leute um sie herum zu verstehen und zu analysieren. Eine ihrer besten Gewohnheiten war es, wenn sie am Nil entlang ging, die laufenden oder am Rand sitzenden Leute zu beobachten, dann reimte sie sich eine Geschichte auf ihren Hintergrund zusammen. Wer weiß, vielleicht war es eine Art, sich ihrer eignen Realität zu entziehen. Im Studium war sie gut, sie bestand mit akzeptablen Noten. Schließlich studierte sie für das Wissen, es ging ihr nicht darum die besten Noten zu erhalten, sie war mehr darauf aus, die Informationen zu verstehen und sie in ihren Geschichten, die sie sich täglich ausdachte, nutzbringend anzuwenden.
Dann kam der Tag, Dunya machte ihren Abschluss und qualifizierte sich für das richtige Leben, dunya eben. Als sie das offizielle Zeugnis erhielt, ging sie durch das Tor der Universität hinaus und fand das schönste, bunteste Gemälde vor ihren Augen. Jetzt konnte sie die Suche nach sich selbst beginnen, die Suche nach Wegen, ihre eigenen Träume zu erfüllen, auf die sie so lange gewartet hatte, bis zum Tag der Graduierung. Sie wollte jene Dunya sein, von der sie träumte, die die den Nil entlang ging und sah, wie sie sich entwickelte, der Nil, der sie in sich trug und sie ihn in sich. Jetzt war sie bereit, ihre Träume zu entfalten und ihre Möglichkeiten. Sie war die Hölle von einem Mädchen und sie war bereit alles tun, um nur ihre Ziele zu verwirklichen. Dunya war bereit für das Leben, aber sie wusste nicht, dass dieses Leben bereits andere Pläne für sie hatte. Das normale Leben in Ägypten hat eben für die Klasse der Arbeitenden oder die Schicht der Armen, wie immer man das nennen will, seinen eigenen Dreh, nicht den Dreh, den sie verdienen, und ganz bestimmt nicht den Dreh, auf den sie hoffen. Das Leben ist nicht fair, nur für sie ist es gemein, es ist ungerecht für sie, es ist hart und grausam für sie. Sie werden in ihrem eignen Land gerade mal als Besucher behandelt. Sie sind diejenigen, die niemand hört oder sieht. Sie sind diejenigen, die sich von den anderen Schichten unterscheiden, weil sie nicht essen, was die essen, sich nicht kleiden, wie sie sich kleiden, sie, sie sprechen nicht unsere Sprache, sie sind Fremde für uns. Dunya wusste davon eigentlich nichts. Sie hatte nie begriffen, dass sie eine von der Gruppe der Fremden in ihrem eignen Land sein könnte. Sie wusste nicht, dass man auf sie herab schauen könnte. Sie wusste nicht, dass Dunya, das Leben, noch soviel Kummer für sie bringen könnte. Sie schloss ihr Studium ab und wusste doch nichts über das Leben, das auf sie wartete. Sie sah die Schimmer am Himmel, und sah auch das glänzende Wasser des Nils. Und jetzt stand sie gerade davor herauszufinden, was das wahre Leben für sie, die wahre Dunya, ist.
Es ist niemals einfach einen Job in Ägypten zu finden, vor allem wenn Du niemanden hast, der Dich unterstützt und eine Empfehlung für Dich zwecks einer Stelle abgibt. Alles geht nur über Nepotismus und hängt davon ab, dass man dort Jemanden kennt. Beides hatte Dunya nicht. Ihr Vater war von einer einfachen Familie. Er war sehr darauf aus, dass seine Kinder eine Bildung erhielten, dafür sorgte er. Aber danach? Es war dann ihre eigene Sache, sich eine Zukunft zu erschaffen. Er hatte keine finanziellen Mittel, seinen Kindern beim Bauen ihrer Zukunft zu helfen; obwohl er das wirklich wollte, die Härte des Lebens erlaubte es ihm einfach nicht. Dunya hat das bei ihrem Vater immer respektiert; zumindest tat er sein Bestes, damit sie studieren konnten. Jetzt also lag es an ihr, den Job zu finden, von dem sie träumte. Also beschaffte sie sich nach ihrer Graduierung ein Stück Papier, einen Füller und schrieb ihre Traumberufe auf, solche, die sich auf das Fach bezogen, das sie am meisten mochte, Psychologie. Die folgenden Berufe schrieb sie auf: Lehrer in Psychologie, Therapeut, Assistent eines Psychiaters oder überhaupt alles, was mit Psychologie zu tun hat und was ihr gerade einfiel. Am nächsten Tag öffnete sie den Computer und suchte nach den gewünschten Berufen. Sie fand wenige Stellen, in der ersten Woche verschickte sie über fünfzig Bewerbungen an verschiedene Institutionen. In der zweiten Woche nochmals die gleiche Anzahl an verschiedene Stellen. Im nächsten Monat schrieb sie nochmals an die gleichen Stellen, aber es kam keine Antwort. Nach drei Monaten immer noch keine Antwort. Dunya begann darüber nachzudenken, dass es jetzt Zeit wäre Kompromisse zu schließen und jetzt eben halt nur nach einem Job zu suchen, der ihr erlaubt, ihre Tagesrechnungen zu begleichen. Ihr Vater hatte Schwierigkeiten, ihr weiter Unterhalt zu geben, da das Leben immer härter und härter wurde. Dann vergaß sie die Idee vom Kompromiss, denn es waren jetzt schon sechs Monate ohne Antwort. Die Regenbogenfarben in ihrem Gemälde verschwanden, eine nach der andern. Sie ging jetzt auf die Phase der vorrübergehenden Selbstaufopferung zu, die Phase, in der Dunya eben nun schon mal nur noch für Geld arbeiten würde, damit sie ihrer Familie helfen, und dann doch noch weiter suchen konnte, nach ihrem Traumjob.
Nach acht Monaten erhielt sie einen Job in einem Druckerei-Büro. Sie war für die Verwaltung und die Papierarbeit in der Firma verantwortlich. Sie sah jetzt nur noch Regenbogenfarben, wenn sie eine farbige Kopie oder ein farbiges Fax ausdruckte. Die Anstellung war nicht in der Nähe ihrer Wohnung. Sie musste die U-Bahn nehmen, zwanzig Minuten, um ihren Arbeitsplatz zu erreichen. Es war eine kleine Firma mit zehn Leuten. Sie war diejenige, die die Papierarbeit für jeden einzelnen Angestellten der Firma zu machen hatte. Sie hatte ein gutes Verhältnis zu allen, weil sie es vorzog, für sich zu bleiben. Im Tagesverlauf, wenn es einmal keine Arbeit gab, dann würde sie ihre Suche auf der Traumjobliste wieder aufnehmen. Auf ihrer täglichen U-Bahnfahrt praktizierte sie weiterhin das größte Lieblingsding, das es für sie auf der Welt gab, Leute zu analysieren, wenn auch jetzt die Szene sich vom Nil in die U- Bahn verlagert hatte. Aber natürlich das Leben verändert sich, und wir müssen uns darauf einstellen, auch wenn wir es nicht mögen oder gar, es nicht wollen.
Die Tage vergingen, und alles, was Dunya tat, war, am Morgen aufzuwachen, die U-Bahn zu nehmen, zur Arbeit zu fahren. Sie tat die Arbeit, die von ihr verlangt wurde, und mit Beendigung der Arbeit nahm sie die U-Bahn zurück nach Hause. Doch sie gab immer noch nicht den Traum auf, ihren Traumjob zu finden. Ihr Gehalt war gering, wie das so bei den meisten Leuten ist, aber es ermöglichte ihr durchzukommen. Es war ihr möglich, sich die Basisnotwendigkeiten fürs Leben zu leisten, und für ihre Zukunft als Frau ein bisschen Geld zu sparen. Dunyas zweitwichtigster Traum war, eine Mutter zu werden. Sie plante es schon, zwei Töchter, Sama und Dana, zu haben. Das waren die Namen ihrer Lieblingscharaktere in der Fernsehserie, von der sie hingerissen war. Ein und ein halbes Jahr gingen vorüber, und immer noch nichts Neues ihren Traumjob betreffend. Die meisten Stellen, wo sie sich bewarb, interessierten sich für Kandidaten mit Auslandsstudium, oder jemanden, der von einer privaten Universität graduiert war, die an denen man eine große Summe Geld bezahlen musste, um abzuschließen. Während dieses einundeinhalben Jahres schwand die Hoffnung aus Dunyas Augen. Es schien als habe das große Leben, die wahre Dunya, für unsere Dunya andere Pläne. Mit der Zeit ließ Dunyas Suche nach dem Traumjob nach, es wurde immer weniger. Mit jeder Ablehnung, die sie von einem Zentrum oder von einer Stelle erhielt, an der sie sich beworben hatte, fühlte sie sich am Ersticken und war erschüttert. Sie fühlte sich hilflos, so als ob nichts auf ihrer Seite wäre. Es war doch nicht ihr Fehler, dass ihr Vater sich keine Oberschichterziehung für sie leisten konnte. Er hatte doch sein Bestes für sie getan, für ihre und ihrer Geschwister Hochschul-Erziehung. Es war nicht ihr Fehler, dass sie keinen Postgraduierten-Abschluss von einem Institut mit großer Reputation erhalten hatte, sie konnte sich das nicht leisten; für Leute wie sie reichte das Geld nur für die Grundbedürfnisse des Lebens. Was sie fühlte, war nicht Verzweiflung und Depression, es brach ihr das Herz. Es war die äußerste Enttäuschung, so als ob man fühlte, nicht mehr atmen zu können oder etwas, was dein Herz in Stücke zerreißt. Jedes Stück deines Herzens kannst du fühlen, wie es zerrüttet ist, da kannst du weinen soviel wie du willst, der quälende Schmerz geht einfach nicht weg. Er verfolgte sie in ihren Träumen, in der U-Bahn auf dem Weg zur Arbeit, wenn sie eine Dusche nahm, ja sogar, wenn sie betete. Dann war es der erste erschütternde Traum, der ihr genommen wurde. Dunya sah, wie er davon ging und verschwand. Gleich, was für Versuche sie anstellte, er schien sich davon zu machen und zu verschwinden.
Die Tage sahen jetzt immer gleich farblos aus, morgens zur Arbeit, abends zu Hause TV oder irgendein Spiel am Computer. Melancholie wurde jetzt Teil von Dunyas Existenz, Tränen waren ein erzwungener Begleiter. Sie versuchte so stark zu ihrer alten Dunya zurückzukehren, die Dunya, die Hoffnungen hatte und Träume, die sei mit dem Nil teilen konnte. Aber sie konnte es nicht. Das Leben stutzte sie so sehr zusammen. Träume waren jetzt gar nicht mehr für sie erreichbar. Sie war wie in eine Maschine verwandelt, in einen sinnlosen Körper. Nach Hause, zur Arbeit, nach Hause, und so ging das Leben weiter. Wie sie diesen Satz hasste, denn sie glaubte ja an die Träume im Leben, wenn sie nicht erfüllt werden, endet das Leben, du kannst ruhig weiterleben, aber das Leben in seinem eigenen Sinn endet. Die einzige Pause in der Routine ihres jetzt so dumpfen Lebens war ihre Freundin Amina. Sie war die einzige, die sie durch diese Jahre hindurch begleitete. Amina war eine Studienkollegin von Dunya an der gleichen Universität und sie machten zusammen ihren Abschluss. Aber Amina hatte im Unterschied zu Dunya ein Ziel im Leben, das war nicht Bildung oder Arbeit, das war zu heiraten und ihr eignes Heim zu haben. Sie kam von einer armen Familie und da war auch ihr Stiefvater, der ihr die Hölle gab. Sie lebte wie eine Dienerin für seine Kinder, und ihre Mutter war nur ein Zuschauer, sie sorgte sich nicht um sie und würde es auch nie tun. Im zweiten Studienjahr kam ein Typ, der sie heiraten wollte, und sie verlobte sich. Sie willigte ein, mit ihm bei seiner Mutter zu wohnen, weil er kein Geld für eine eigne Wohnung hatte. Jetzt hat sie zwei Kinder, ein Mädchen und einen Jungen, und sie ist glücklicher als je zuvor. Sie besucht niemals ihre eigne Familie, und die haben auch keine Anstrengungen gemacht, sie zu besuchen, etwa als sie heirateten oder sie ihre Kinder bekam. Ihre einzige Familie ist jetzt ihr Mann und seine Mutter. Er ist sehr lieb zu ihr, und sie betrachtet ihn als ihre Belohnung nach all den Kämpfen und Leiden, die sie in der Wohnung ihrer eigenen Familie zu ertragen hatte. Jeden Donnerstag kommt Amina und verbringt den Abend mit Dunya. Sie reden über alles im Leben, nur nicht über Dunyas Träume. Das war nämlich das einzige, was Amina nicht verstehen konnte. Sie verstand das niemals diese Dunya-Träume vom eignen Beruf. Für sie ist ein Mädchen nur dafür da, zu heiraten und Kinder zu kriegen. „Solange Du einen Ehemann hast, brauchst du dir über nichts im Leben zu sorgen,“ würde sie sagen. Dunya tat ihr Bestes , Amina zu zeigen, wie wichtig ihr ihre Träume waren, aber auf die eine oder andere Weise endete das Gespräch immer darüber, wie schnell Aminas Kinder wachsen, der nette Umgang mit ihrem Mann oder vielleicht möchte sie ein drittes Kind haben, oder doch sie sollte besser noch warten. Da beschloss Dunya, ihre inneren Träume für sich zu behalten, denn es war ja ganz offensichtlich, dass Amina Dunyas Träume nicht verstehen konnte. Doch Amina war eine sehr treue Freundin, sie verbrachte viel Zeit mit Dunya, wenn diese niedergeschlagen war. Sie kaufte ihr Geschenke, die sie wollte, dass Dunya sie für die Zeit nach der Hochzeit hatte. Und das wichtigste war, sie verwendete einen Teil ihres Lebens darauf, für ihre Freundin einen passenden Ehemann zu finden. Dunya lachte immer über ihre Tricks und Reden, sie nahm das nie ernst, denn sie wollte ja ihr eigenes Märchen. Sie hatte schon ihren größten Traum verloren, und sie war nicht bereit, den anderen auch noch zu verlieren. Jedesmal, wenn Amina ihr etwas von einem Typen erzählte, lachte sie und fand irgendwie immer eine Ausrede, da heraus zu kommen. Sie wusste, dass ihre beste Freundin, sich um sie sorgte und nur das Beste für sie wollte, natürlich aus ihrem Blickwinkel, doch Dunya wollte ein Märchen und sie war auch nicht für das geringste weniger bereit, als für dieses. Noch immer hielt sie das nicht davon ab, sich über ihre Freundin jedesmal lustig zu machen, wenn diese einen möglichen Kandidaten vorschlug.
Der langweilige Verlauf von Dunyas Leben wurde plötzlich von der Erfüllung des sich ankündigenden Märchens, von dem sie immer träumte, unterbrochen; das Märchen startete. Während Dunya an einigen Papieren für die Firma arbeitete, meldet sich Herr Hossam bei ihr an ihrem Schreibtisch, er fragte nach dem Firmenchef, sagte er wolle Geschäfte mit ihm machen und seine Karte für ihn hinterlassen. Dunyas Boss war nicht da, und sie nahm höflich die Karte an und sagte ihm, sie würde sie persönlich weiterreichen. Er dankte ihr und lächelte sie an, sie dachte für sich, „das war wohl das charmanteste Lächeln jemals!“ Am nächsten Tag gab sie die Karte ihrem Boss und er bat sie, den Herrn anzurufen und einen Termin für ein Treffen zu vereinbaren. Sie ging zu ihrem Schreibtisch und wählte die Nummer. Aus keinem ersichtlichen Grund, schlug nun plötzlich ihr Herz heftig. Seine Stimme kam vom andern Ende, sanft und charmant. Sie stotterte ein wenig und fühlte sich wie ein völliger Idiot. Er sollte am Donnerstag zu einem Treffen mit ihrem Manager kommen. Am Donnerstag stand Dunya eine Stunde früher auf, sie konnte die ganze Nacht nicht schlafen. Sie nahm eine Dusche, zog sich an und ging zur Arbeit. Sie war erregt, dass sie Herrn Hossam begegnen würde, der Typ mit der unglaublichen Stimme. Er kam, grüßte Dunya und ging direkt zum Sitzungsraum. Nach fünf Minuten, bat Dunyas Chef sie darum, zu ihnen zu kommen, damit sie das Protokoll des Treffens aufnehmen könne. Sie wurde nun Herrn Hossam förmlich vorgestellt, der grüßte sie nochmals und sagte ihr, was für einen schönen Namen sie habe. Das war nicht einfach nur ein Kompliment, das war DAS KOMPLIMENT, die besten Worte, die sie je in ihrem ganzen Leben gehört hatte. Das beste Ding des Tages war aber nicht Herrn Hossam zu sehen, es war der Deal, den er mit ihrem Chef vereinbarte, der bedeutete, dass Herr Hossam jetzt häufig in das Büro käme, und das allein verschafft ihr einen guten Tag.
Die Tage, an denen Mr. Hossam ins Büro kam, waren die glücklichsten ihres Lebens. Am Anfang kam er, und grüßte sie und ging geradeaus weiter zum Boss. Nach einiger Zeit blieb er einige Zeit an ihrem Schreibtisch, wenn der Manager gerade nicht da war. Das normale gewöhnliche Gespräch entwickelte sich Schritt für Schritt. Es wurde zu einer Gewohnheit von Herrn Hossam, dass er seinen Morgenkaffee mit Dunya an ihrem Schreibtisch einnahm. Es war auch jetzt schon normal, dass sie ihn ohne weitere Titel als Hossam anredete. Es war dann schon ganz in Ordnung, dass er sie am Wochenende anrief, um zu fragen, wie es ihr geht. Es war jetzt auch für beide o.k., die meiste Zeit zusammen zu sein. Die schönste Zeit im Leben war jetzt eben die, die sie mit Hossam am Telefon verbrachte. Er rief sie jeden Abend an, wenn sie nach Hause kam. Sie sprachen über alles und jedes. Sie teilte mit ihm jedes kleine Detail ihres Lebens mit. Er begann jetzt ein neues Leben mit einer Druckerei, er war nicht so reich, aber das machte ihr nichts aus. Sie wollte nur die meiste Zeit seine Stimme hören. Er sprach mit ihr über sein Leben und wie er mit seiner Mutter zusammenlebt. Er hatte keine Geschwister und er teilte seine Zeit zwischen seiner Arbeit und dem sich um die Mutter Kümmern. Es machte ihr Freude, mit ihm zu reden und mit der Zeit vertraute sie ihm ihre inneren Gedanken an. Sie erzählte ihm von ihren Träumen und Erwartungen, er wurde jetzt ihr eigner Fluss, der Nil, nur dieses eine Mal, und erst jetzt interagierte er mit ihr, ja er antwortete tatsächlich und fühlte jedes einzelne Wort, das sie sprach. Dann kam der Tag, an dem Hossam sie einlud, mit ihm auszugehen. Dunya war in ihrem ganzen Leben noch nicht mit einem Mann ausgegangen, das war eine gänzlich neue Erfahrung für sie. Sie zögerte lange damit, das anzunehmen. Sie dachte, dazu sei sie noch nicht reif. Sie fürchtete, sie könnte etwas Törichtes tun, das ihn veranlassen könnte, weg zu gehen. Sie lebte in ihrem Märchen, und sie wollte nichts, was das stören könnte. Sie entschieden sich für ein Treffen im Café- Shop, das Hossam kannte. Das war ihr erstes öffentliches Ausgehen. Sie war sehr scheu und etwas durcheinander. Er war sehr charmant und schaffte es, ihre Scheue zu vertreiben, so dass auch sie redete. Jetzt war es so leicht zu ihm zu reden, und er fand sich wirklich mit ihr zurecht. Der Tag war außerordentlich für sie, jetzt lebte sie wirklich in ihrem Märchen. Sie begann wieder Glauben an das Leben zu gewinnen, wieder neu zu träumen. Das Märchen ging weiter und sie fühlte sich darin glücklich. Die Treffen wurden häufiger, und die Schwüre der Liebe wurden ausgetauscht, in der Nähe ihres vor allem in der Welt bevorzugten Ortes, in der Nähe des Nils. Da erschien wieder das Gemälde in ihrem Leben und sie merkte, dass die Farben im Leben sich aus anderen Quellen speisen. Sie sagte Hossam alles über ihr Geheimnis vom Nil. Noch wusste niemand über ihre Beziehung zu Hossam, und sie beschloss, Amina einzuweihen, denn sie war erpicht darauf, ihr Glück mit jemandem zu teilen. Amina war sehr aufgeregt und freute sich für ihre Freundin und riet ihr, ihn zu bitten, einen festen Termin für die offizielle Verlobung festzusetzen. Dunya meinte, das das keine Eile habe, aber natürlich sehnte sie sich danach, mit ihm darüber zu reden, sie hatte noch zuviel Angst vor ihm, denn sie wollte nichts, was ihr Märchen irritieren könnte. Bis dann eines Tages Hossam selbst sie darum bat, einen Termin mit ihrem Vater auszumachen, weil er jetzt den Heiratsantrag stellen wolle. Und das war dann der glücklichste Tag in ihrem Leben. Als sie sich verlobten, war das erste Ding, das sie Amina sagte, „Ich habe es Dir gesagt, Träume werden wahr!“ Sie war unbeschreiblich glücklich. Sie benutzte das Geld, das sie gespart hatte zum Kauf einiger Schlafanzüge für ihren zukünftigen Ehemann zu kaufen. Sie beschlossen, bei seiner Mutter zu wohnen, weil er noch kein Geld für eine eigne Wohnung hatte. Sie wollte buchstäblich nur mit ihm zusammen sein, es ging ihr nicht um die Wohnung. Sie wollte, dass das Märchen Wirklichkeit werde. Sie wollte, dass einer ihrer Träume wahr werde.
Die wirtschaftliche Situation wurde schlechter in Ägypten, und natürlich, das traf vor allem die Armen, das betraf ihre Träume und Hoffnungen. Es zerschmetterte ihre Leben und Erwartungen. Aber, trotz des Wenigen, das sie hatten, schafften sie es, glücklich zu sein. Dunya hat es immer zurückgewiesen, dass Geld ihr Leben beherrscht. Trotz des wenigen, was sie davon hatte, versuchte sie damit zurecht zu kommen, und sie plante dasselbe in ihrer Beziehung zu Hossam.
Die Verlobungszeit wurde damit verbracht, den Nil anzuschauen. Sie verbrachten ihre Zeit damit, Tee und Pepsi am Nil zu trinken. Sie konnten sich jetzt in dieser Zeit keine materielle Liebe erlauben. Sie wollte ihm viele teure Geschenke kaufen, aber sie konnte es nicht, und doch, sie waren glücklich. Es gelang ihnen, mit dem Wenigen, was sie hatten, ein neues Schlafzimmer zu kaufen und die Küche zu erneuern. Seine Mutter liebte Dunya sehr, und war so glücklich darüber, dass sie Teil ihrer Familie wurde. Und der Hochzeitstag war ein unvergesslicher Tag, und Dunya sah da äußerst wunderbar aus. Alle wünschten dem PaarGlück, und die Beiden sahen aus wie zwei Liebesvögel. Und Dunya beginnt ihr neues Leben, dunya eben, auf die sie so geduldig gewartet hatte. Dies war der Traum, den sie schließlich erreicht zu haben glaubte. Hossam sagte ihr, mit dem Arbeiten aufzuhören, denn er käme jetzt mit seinem Geschäft gut voran und sie würden ihr Gehalt nicht mehr brauchen. Drei Monate nach der Hochzeit, eröffnete man Dunya, dass sie ein Kind erwartete. Hossam war nie so aufgeregt wie da, als er das erfuhr. Er war glücklich, dass der Bund zwischen ihm und Dunya jetzt noch viel stärker werde. Leben ist jetzt voller Farben, voller Glück, kein Platz für Traurigkeit! Ali kam zur Welt, er war aus Liebe gemacht. Glück umgab Dunya und sie fühlte, dass das Leben niemals besser werden könne, als all das. Manchmal dachte sie, das war zu viel für sie, und sie betete jede einzelne Nacht zu Gott für dieses Glück, dass er ihr schenkte.
Das Leben ging angenehm weiter. Sie war die außergewöhnlich loyale Frau für einen guten Ehemann, und die Mutter von einem wunderbaren Kind. Leben war wunderbar bis eines Tages, Hossam wurde angerufen, er rannte nach draußen. Sie konnte ihn nicht erreichen, um zu erfahren, was geschehen war. Blieb und wartete einige Zeit, betete zu Gott, dass ihm nichts geschehe. Als er zurückkam, war ihr klar, dass er sein Geschäft verloren hatte, ein Feuer im Gebäude, in dem er sein Büro gemietet hatte. Niemand wurde verletzt, aber alles, was er in seinem Leben investiert hatte, war in einer Minute der Unachtsamkeit verloren. Sie gab ihr Bestes, um sich in dieser Lage mit ihrem Lebenspartner zu versöhnen. Sie gab ihm alles Geld, das sie hatte, und sagte ihm, sie würde gehen und Arbeit finden, bis er dann wieder auf eigne Füßen käme. Auch seine Mutter war bereit zu helfen, aber hatte nur wenig zu geben. Er war so verzweifelt. Er verlies sie diese Nacht und ging aus, das erste Mal seit der Hochzeit, Hossam ging aus und blieb die ganze Nacht, ohne Dunya zu sagen, wo er war. Sie blieb die ganze Nacht wach, wartete auf ihn bis er, es war schon fast Dämmerung, nachhause kam. Er sagte ihr, dass er darüber nicht sprechen wolle und fiel in einen langen Schlaf, während Dunya neben ihm wachte fürchtend, dass ihr Märchen nun zu Ende sei.
Der Unfall hinterließ eine große Narbe an Hossam. Er war nicht mehr die gleiche Person. Er ging morgens aus, um nach einem Job zu suchen, kam zum Essen zurück und ging dann schlafen. Das Reden und die Verbindung zwischen ihm und seiner Frau und Sohn war fast ganz vorbei. Das einzige, was sie von ihm hörten, war das Hallo- und Aufwiedersehn-Sagen. Jedesmal wenn Dunya ihn dazu bringen wollte, dass er mit ihr redet, blieb er abweisend und bat darum, ihm mehr Raum und Zeit zu lassen, damit er seine Situation bewältigen könne. Aber nachdem er all sein gespartes Geld ausgegeben hatte, begann er von Leuten Geld zu leihen, immer noch den Gedanken zurückweisend, dass Dunya arbeiten solle. Sie tat ihr Bestes, ihn davon zu überzeugen, dass es ihr nichts ausmache, einen Job anzunehmen, aber er lehnte das völlig ab, sagte ihr „töte mich an dem Tag, an dem meine Frau Geld für den Haushalt zahlen würde.“ Das war typisch Hossam, mit Würde wies er das alles zurück, wobei sie natürlich spürte, wie sehr es seinen Stolz und seine Ehre verletzte, dass er von anderen Geld leihen musste. Jetzt war Schwarz wieder in ihrem Leben zurück. Hossam war fast die ganze Zeit außer Hauses, und er war jetzt für sie nur noch der Mann, der abends zum Essen und Schlafen nach Haus kam. Sie vermisste ihren Helden, sie vermisste ihr Märchen. Sie vermisste die Person, in die sie sich verliebt hatte. Wie alles in ihrem Leben, Hossam war ihr jetzt völlig entfremdet.
Die Tage vergingen und die Schulden von Hossam wuchsen an. Er musste jetzt jeden Job annehmen, um das zu regeln. Das war hart, für ihn und für seine Familie. Er arbeitete als Mikrobusfahrer, sammelte Müll, putzte Schuhe, tat vieles mehr, über das er nicht mit seiner Frau reden konnte, denn Hossam der Held, der war noch da. Er war des Lebens überdrüssig und von allem was damit zusammenhing. Dunya war immer stärker bekümmert um ihn, da war ja dieser große Graben, der sich jetzt zwischen ihnen auftat. Sie hoffte immer noch, dass diese Phase wieder aus ihrem Leben herauswachsen würde, bis dann eines Nachts Hossam völlig betrunken nach Haus kam. Dass war die erschütterndste Szene für die Dunya, die noch immer an Hossam den Helden glaubte. Sie wusste dass er verzweifelt war, aber nicht bis zu diesem Ausmaß.
Es wurde noch schlimmer, denn Hossam bekam überzeugt davon, dass das Drinken ihm gut tue. Dunya versuchte ihn zurück zur Vernunft zu bringen, aber er schien es zu bevorzugen, einfach aus dem Leben zu verschwinden, das er missachtete. Sie versuchte und versuchte es immer wieder, bis zu der Nacht, als sie ihm mit Gewalt die Flasche wegnahm und dann Hossam, dann schlug er Dunya zum ersten Mal. In diesem Moment jetzt wusste sie genau, dass das Elfenmärchen aus war, schon lange, es gab jetzt keinen Grund mehr, an ihm zu hängen. Jedesmal, wenn sie ihn da rausreden wollte, bekam sie nur Kicke oder Schläge ins Gesicht. Sie tat das Beste, das zu verkraften, sie fühlte, dass er tief im Innern immer noch derselbe Mann war, in den sie sich verliebt hatte. Sie hoffte, dass er eines Tages aufwachen würde und entdecken würde, was für ein absurdes Ding er da drehte. Doch Hossam, so schien es, hatte eine andere Perspektive. Er bekam immer mehr hineingezogen in dieses tödliche Leben. Er verbrachte die meisten Morgen draußen, und am Abend betrank er sich, um zu vergessen, in welcher Lage er war. Er vergas seine Liebe zu Dunya, vergas seine Mutter und ihre Gebete für ihn. Er vergas Ali, der ihn sich nüchtern wünschte, damit er das Leben mit ihm teilen konnte, und er ihn sehen konnte, wie er vor ihm aufwuchs. Er vergas sein Leben, und lies seine Depression über sein Weg im Leben regieren. Er hasste das Leben und alles was dazu gehörte. Er hasste sein Land und seine Leute. Er war neidisch auf die Reichen, hatte in tiefes Ressentiment dem Leben gegenüber und war dauernd wütend. Er mutete Dunya und seinem Sohn alles zu. Es war normal, dass man Dunya mit zerschlagenen Gesicht sah, sie hören konnte, wie sie ihren Mann um morgens um drei Uhr anschrie. Es war jetzt für Ali normal, sich zu verstecken, wann immer der Vater im Haus war. Für ihn er war kein Symbol für Respekt mehr, er war ihm ein Symbol für Furcht und Hass. Ali wuchs mit dem Geld seiner Mutter auf. Dunya musste zur Arbeit zurückgehen, weil sie ihren Sohn nicht fühlen lassen wollte, wie enttäuscht sie selbst vom Leben war. Er war ein sehr guter Schüler und wollte seine Mutter glücklich machen. Hossam aber änderte sich nicht mehr, er kam jede Nacht betrunken nach Hause, und schlug wie in der Hölle auf Ali ein (höllisch), ignorierte die Klagen und Schrei von Dunya. Alle Hoffnungen Dunyas sind zerstört, und nicht blieb mehr gut in ihrem Leben außer Ali. Hossam war jetzt schon seit langem verloren und nichts würde ihn wieder zurückbringen. Sie tat alles, um ihr Geld vor ihm zu verstecken und um es für ihren Sohn zu sparen.
Leben war für Dunya jetzt Arbeit, Ali und zu versuchen sich und ihren Sohn vor diesem kranken Ehemann zu schützen. Sie bedauerte ihren Sohn sehr, weil er nicht wie der Rest seiner Freunde erzogen werden konnte. Sie wollte, dass er Spaß am Leben habe, wie die andern, aber er war zu früh in die Miseren des Lebens eingeführt worden. Sie wollte seine Freunde einladen, damit er einige Zeit hier mit ihnen teilen konnte, natürlich war es nicht möglich, denn sie durfte sie ja nicht den betrunkenen Vater und die bekümmerte Mutter sehen lassen. Er konnte die mokierenden Reden in der Gesellschaft nicht ertragen. Eine Gesellschaft, die in Erscheinungen lebt, und nur von ihnen her urteilt. Es ist eine Gesellschaft, die nicht darauf achtet, wie gut du bist, der es genügte, wenn du nur nach ihren eigenen kranken Maßstäben stabil bist. Es ist eine Gesellschaft, die nicht auf ihn als einen Studenten blickt, sondern nur daran denkt, was für einen abgedrehten Vater er hat. Eine Gesellschaf, die
nur auf die Fehler der anderen achtet, und auf den eigenen finanziellen und sozialen Standard, den du dir ja nicht ausgesucht hast, der dir von der Gesellschaft zugewiesen wird. Dunya hatte sich nicht für ein solches Leben entschieden. Sie hat sich nicht dafür entscheiden können, ihren betrunkenen Mann tolerieren zu können, aber sie musste ihren Sohn vor der deformierten Familie abhalten. Sie versuchte, so gut wie sie konnte, für ihn eine stabile Atmosphäre zu schaffen, aber es ging nicht. Alles was sie konnte, war nur die Erziehung für ihn zu sichern und alle Liebe und Unterstützung zu geben. Dunya hatte schon seit langem ihre Träume für sich aufgegeben, und jetzt hatte sie nur noch einen Traum und das war Ali.
An einem Freitagmorgen starb Hossam starb in seinem Bett. Es war zu erwarten gewesen und sie konnte nicht trauern, sie bedauerte nur, dass die charmante Person, die sie einst liebte, zu dem geworden war. Sie war auch ein bisschen zufrieden, dass er so in Ruhe gestorben war. Möge Gott ihm Frieden bringen nach diesem verzweifelten Leben. Leben war wieder farbenlos, es hatte schon lange seine Würze verloren. Er erlaubte es sich, so zu enden, mit den denkbar schlechtesten Erinnerungen behaftet, nicht einmal von seinem eigenen Sohn geliebt werden zu können, nicht geliebt von seiner eigenen Frau. So wieder musste Dunya ein Kapitel ihrer dunya, ihres Lebens schließen. Sie begann nun sich nur auf ihren geliebten Sohn zu konzentrieren. Der schaffte es, einen Studienplatz an der Medizinischen Fakultät zu bekommen. Trotz all der Armut wird Ali Arzt werden, Ali wird ihren Traum verwirklichen, Ali wird dazu fähig sein, seine eigene Zukunft zu bauen.
In seinem zweiten Studienjahr traf Ali die erste Entscheidung in seinem Leben. Er beschloss, das Studium aufzugeben, Arbeit zu finden und seiner Mutter zu helfen. Er meinte, sie könne das nicht mehr allein tragen und er wolle ihr keine Last mehr sein. Trotz ihres Weinens, ihrer Schreie, nur damit er das nicht tue, er hatte seinen Entschluss schon gefasst. Und da schien ihr nun das Schwarz, das sie trug, ganz ins Herz hinein. Jetzt ist das Leben wieder schwarz und grau für sie. Nicht nur die Erinnerung an die Person, die ihr Ehemann war, sondern jetzt war auch noch die Zukunft zu betrauern, die der Sohn haben würde. Trotz all ihrer Anstrengungen, ihm seinen Traum zu erhalten und ihn im Studium zuhalten, sie konnte es nicht verhindern, dass ihn die Härte des Lebens erreichte. Sie versuchte alles, um ihn davor zu schützen und ihn abzuhalten, durch den gleichen Weg geführt zu werden, durch den sie selbst schon steuerte, sie konnte es nicht. Das Leben niemals fair für sie, wie konnte es fair zu ihrem Sohn sein? Leute wie sie sind die Ausgeschlossenen in diesem Land. Sie sind diejenigen, die hier keine Erlaubnis zum Leben haben. Sie sind diejenigen, deren Träume an jedem Tag gebrochen werden und es gibt keinen logischen Grund dafür Sie gab schließlich auf und kapitulierte vor der Grausamkeit des Lebens. Sie wollte nichts mehr, nur noch den Sohn gesund haben. Das bunte Gemälde war jetzt das Glück ihres Sohnes, und das war es, was wieder Farbe in ihr Leben brachte.
Ali begann in einer Firma zu arbeiten, in der Verkaufsabteilung. Er war sehr gut am Computer und verfügte über großartige Fähigkeiten im sozialen Umgang. Er macht im Job gute Fortschritte, weil er die Kunden wirklich erreichte. Dunya war sehr stolz auf ihn und war jetzt glücklich mit ihm. Er überzeugte sie, dass sie das Schwarz und Grau ablegen müsse, für bunte Farben sich öffnen! Das Leben nahm wieder eine neue Wende in ihr. Sie war glücklich, weil Ali glücklich war. Der Baby-Junge wurde zum Mann, und was für ein feiner Mann! Er war jetzt der Mann im Haus und nahm sich seiner Mutter so gut er konnte an. Er tat sein Bestes, die Grundnöte zu ihrem Lebensunterhalt zu stillen. Und das Leben in Ägypten wurde wieder einmal hart. Die Menschen kochten vor Wut, weil alles so teuer war. Dunya wollte für Ali ein angenehmes Leben. Sie wollte eine Wohnung für ihn, damit er heiraten konnte, aber das war ein Traum, den Leute wie sie sich nicht leisten konnten. Sie wollte, dass er ein Auto fuhr und wie die andern Jungen seines Alters lebte, aber auch das war ein Traum, den sie sich fürs Leben nicht erfüllen konnten. Und obwohl Ali immer größere Fortschritte in seinem Job machte, das Leben wurde gleichzeitig immer teurer. Ali begann, sich ein bisschen niedergeschlagen zu fühlen. Sein Gehalt reichte nicht mehr für den Lebensunterhalt und er begann, die Regierung zu beschuldigen, dass sie für ihn die Grundlebensmittel, die er als Mensch verdiente, nicht mehr sicherte. Dunya begann jetzt Angst zu haben, denn die Fremden, die Ausgeschlossenen wie sie, hatten nicht das Recht, ihre Meinung zu äußern. Sie haben nicht einmal das Recht, am Leben zu zweifeln, das sie führen. Es war ihnen nicht erlaubt, wie angenehme menschliche Wesen zu leben.
Und da ereignete sich die Revolution. Es war wie ein neuer Traum. Nicht Dunyas Traum, aber alle Fremden, die Ausgeschlossenen, erkannten plötzlich eine Chance, die die gleiche Luft zu atmeten wie die andern. Ali kam am 11. Februar 2011 und holte Dunya, damit sie mit ihm in den Straßen feiern konnte. Zum ersten Mal in ihrem Leben stand sie neben einer reichen Frau und fand dass sie ihr gleich ist. Sie sagte zu ihr sogar: „Das ist mein Sohn Ali, er hatte seinen Teil daran, das alles geschehen zu machen.“ Sie war so stolz, glücklich, durcheinander, verträumt und aufgeregt. Nie fühlte sie sich dem Glück näher als jetzt. Das Leben würde sich ändern, Hoffnung tritt an Stelle von Furcht. Sie würde nicht länger eine Fremde sein eine Ausgeschlossene, sondern ein menschliches Wesen, das Rechte hat. Jetzt würden sie gehört werden, und was noch schöner ist, diese Rechte würden jetzt eingelöst werden.
Die Tage fühlten sich jetzt glücklicher, zumindest die Gesichter der Offiziellen hatten sich geändert. Man sah die alten Gesichter nicht mehr. Alis Gesicht leuchtete, er wurde zunehmend energischer. Dunya fühlte, dass dunya, das Leben, jetzt leuchtender werden und wirklich neu beginnen könnte. Sie sammelte ihre verschütteten Träume wieder zusammen, sie träumte neu. Es war jetzt wieder möglich zu träumen, es war möglich, Vertrauen in sich selbst zu haben, und es war möglich, diese Träume zu verwirklichen. Tage vergingen, der Wandel aber wurde langsamer und langsamer. Die Wirtschaft bewegte sich von schlecht auf schlechter. Das Töten und Verwunden ging weiter. An Sicherheit war nicht zu denken. Leute begannen verrückt zu werden und das Leben wurde wieder härter. Dunya begriff, dass sie wieder in die Zone der Fremden, der Ausgeschlossenen zurückgeschoben wurde. Sie war nicht so sehr wegen sich selbst bekümmert, sie war immer eine Fremde, eine Ausgeschlossene in dieser Welt, und sie hatte sich daran gewöhnt. Sie ängstigte sich um ihren Sohn Ali, der genauso wie sie den harten Bruch bemerkte, diesen Bruch, den sie früher schon einmal spürte, als sie eines Tages ihren Traum-Job fallen lassen musste. Sie fühlte sich hilflos, sie konnte ihren Sohn nicht vor der Enttäuschung schützen, die er fühlte.
Ali war immer ein außergewöhnlicher, ein äußerst liebenswerter Sohn. Er würde alles für seine Mutter tun. Er würde alles zurückstellen, nur um sie zu erfreuen und um sie die Traurigkeit vergessen zu lassen. Aber alles war jetzt vorbei. Ali gibt es nicht mehr. Er wurde bei den Ereignissen in der Mohamed Mahmoud Straße von der Polizei erschossen, als er an einer friedlichen Protestdemonstration teilnahm. Die Leute sagten ihr, „Hier ist ein Held, ein Märtyrer, gestorben, sei stolz auf ihn“. Sie wollte das nicht, sie wollte keinen Helden, sie wollte nur einen Sohn. Sie wollte Ali. Sie wollte für ihn, dass er seine Rechte habe. Sie hatten nicht das Recht, ihre Pistole zu zücken und auf sein Gesicht zu zielen. Sie hatten kein Recht, den Trigger zu ziehen und sein Leben zu beenden. Sie hatten kein Recht, ihr die Seele abzutöten und doch ihren Körper für den Rest des Lebens den Martern auszusetzen. Es war nicht ihr Recht, ihr den einzigen noch übrig gebliebenen Traum zu rauben. Und wieder, Dunya ist wieder zurück in Schwarz, das Schwarz für immer. Sie ist wieder zurück beim Herzensbruch. Sie ist zurück in der großen Verzweiflung, zurück im Schwarz. Zurück bei den zerstörten Träumen. Sie ist zurück in der Welt der Fremden, der Ausgeschlossenen, in der Welt, die immer wieder ein Teil ihrer selbst sein wird, weil die andern einfach es nicht zugeben werden, dass es diese Welt der Fremden, der Ausgeschlossenen, überhaupt gibt!
(Enaam A. Magdy, 24 März 2012) 




صرخه نمله -screaming Ants

Laura Stauth


Art of poverty, poverty mistreated as art..
Dust is in my nose my eyes my brains my bones, 
noise burning in ears, they might fall off,
smells, faces stinging my eyes,
voices agressing my thoughts,
fears of touch, please no human flesh,
I might lose myself, mess outside eating up my
inside,
“resist against the flow the confusion”,
structureless, thoughts bubbling in the air,
greedy eyes, and my own banging doubts
asking about my legitimicy
to be who I am where I am.

Bulaq, eating me up.

Houses, oh what magic, the facades 
like singing faces, 
they whisper with despair, 
the destinies they withhold 
the hopes and fears of lost futures, forgotten 
over new desires, desires fulfilled 
with plastic dreams, faceless 
object with empty eyes, 
since, once gleaming of beauty,
now ruins of resonance, 
ruins of resistance, ruins of broken tragedies, 
ruins once palaces of hope and fertility, the 
streets 
are streets of open mystery, unspoken rules, disabled freedoms...

I am misunderstood

In a steaming pot 
of fading erosion, of declining vitality and momentous, its
cullise carries decades of evidence to destruction
The contemporary destructive  constructions 
of decadent power claims 
towers with views from which we might 
mistake people for ants, 
and ants for people.
The invisible walls are drawn fences
filling the air with poisoning hopelessness,
The Hightower’s throwing shades over the forgotten beauty,
darkness, 
hiding the misery beneath them. 

Ignorance is calling.






Anmerkung aus Wikipedia: Bulaq (arabisch بولاق, DMG Būlāq) ist ein Stadtviertel der ägyptischen Hauptstadt Kairo. Es liegt am Ostufer des Nils, zwischen den alten arabischen Vierteln und dem Fluss. Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde das Gelände bebaut.

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